1798 war Otto Collett 14 Jahre alt, also im besten Geigenalter. Seinen Vater Peter Collett (1740 – 1785) hatte er nicht mehr bewusst kennengelernt, denn dieser starb innerhalb weniger Monate nach seiner Geburt im Alter von 44 Jahren. Otto hatte zehn ältere Geschwister, sein ältester Bruder Peter Collett war bei Ottos Geburt bereits 18 Jahre alt. Dieser erbte nach dem Tod des Vaters den grossen Hof Buskerud Gård, zumal dessen leibliche Mutter Maren Christine Holmboe (1745 – 1769) bereits länger zuvor verstorben war. Ottos Mutter Johanne Henriche Ancher (1750 – 1812) hingegen war die zweite Ehefrau und Witwe seines Vaters, also die Stiefmutter des Erbsohns, und hatte daher trotz neun gemeinsamer Kinder keinen Anspruch auf das Erbe. Sie war nach dem Tod ihres Ehemannes vermutlich nicht mehr in der Lage, die vielen Kinder alleine zu versorgen, und so wurde Otto als Jüngster von seinem älteren Cousin John Collett (1758 – 1810) und dessen Ehefrau Marthine Christine Sophie „Tina“ Elieson (1764 – 1826) adoptiert, die keine eigenen Kinder bekommen hatten. Sieben Jahre später adoptierten die Adoptiveltern auch eine ihrer Nichten, Martine Johnette Collett (*1789). Der Adoptivvater John Collett wurde mit (aus norwegischer Sicht) legaler Piraterie reich: während der napoleonischen Kriege und Wirren um 1800 kaperten Dänen und Norweger britische Handelsschiffe, entluden deren Fracht, verkauften sie und liessen die britischen Seeleute wieder frei. Das Unternehmen von John Collett hiess denn auch ganz offiziell „Christiania Caper-Compagnie“.
1808 heirateten Otto Collett und seine ferne Cousine / nahe Adoptivschwester Martine Johnette Collett. Die Erblogik damaliger Familienunternehmen liess keine grosse Auswahl an Bräuten zu. Otto war gezwungen, innerhalb der engeren oder allenfalls noch weiteren Familie zu heiraten. Das war damals nicht ungewöhnlich, denn auch sein Adoptivvater und dessen Bruder heirateten übers Kreuz ihre Cousinen, die Schwestern waren – und so wurden die Brüder auch gleich noch ihre eigenen Schwager. Ob aus Logik Liebe werden konnte, ist nicht überliefert.
Zwei Jahre darauf starb der Adoptivvater John Collett, woraufhin wiederum nicht etwa seine Witwe Tina Collett seine Erbin wurde, sondern der Adoptivsohn Otto die Gesellschaftsanteile übernahm und Eigentümer des ebenfalls grossen Gutes Flateby wurde. Dieses Anwesen war mit englischem, französischem und chinesischem Mobiliar ausgestattet und galt damals als ein nobles Landhaus und Jagdrevier. Die Osloer Zeitung ‚Aftenposten‘ soll in ihrer Ausgabe vom 26. Dezember 2014 über die Weihnachtsfeier 1814 auf Flateby berichtet haben, als Otto und Martine Collett ihren Gästen viel zu bieten vermocht hätten: es sei gejagt, getanzt und gross aufgetischt worden. Doch dies sollte nicht immer so weitergehen, denn 1828 ging auch das Handelshaus Collett in Konkurs, in einer der ersten grossen norwegischen Finanzkrisen, die einen Grossteil des norwegischen Bürgertums mit in den Abgrund riss. Der Konkurs hatte zur Folge, dass auch das Gut Flateby vom grössten Gläubiger, der englischen Firma Boulton & Pelly übernommen wurde.


(Portraits von Martine Johnette Collett und Otto Collett, Ölgemälde von Carl Frederik Vogt,
Oslo Museum, Byhistorik samling, Nr. OB.00809 und OB.00810)
Auch diese beiden Eheleute sollten wie ihre Adoptiveltern keine eigenen Kinder bekommen. 1833 starb Otto Collett, von Martine um 32 Jahre überlebt. Es war wohl Martine (1789 – 1865), die auf dem mittelalterlichen Friedhof rund um die romanische Gamle Aker kirke, dem ältesten heute noch stehenden Gebäude Oslos, einen Grabstein mit Kreuz für ihre Adoptiveltern, ihren Ehemann und sich selbst errichten liess. Die turbulente Familiengeschichte des norwegischen Zweigs der englischstämmigen Familie Collett kannst Du hier und dort nachlesen.
War dies der Otto Collett, der im Alter von 14 Jahren seinen Namen und das Datum 1. April 1798 auf das Deckblatt eines Notenbuches für Violine im Umfang von 28 Stücken schrieb? Das ist nicht belegt, jedoch gut möglich. Seine Herkunft war nicht ärmlich und auch sein durch Adoption gesicherter gesellschaftlicher Stand und das später erworbene grosse Erbe waren in ökonomischer Hinsicht sorgenfrei, jedenfalls in seiner Jugend und Adoleszenz, bis zu den viel später auftretenden Finanzkrisen in Norwegen. Im bürgerlichen Haushalt seiner Adoptiveltern wäre genug Musse und Geld für Geigenunterricht gewesen. Ebenso hätte Martine Johnette Collett Geige spielen können wie andere Bürgerstöchter auch. Vielleicht ‚erbte‘ die damals Neunjährige später Ottos Notenbuch?
Das Manuskript kannst Du auf der Webseite der Nasjonalbiblioteket Oslo einsehen.
Nachfolgend findest Du jeweils die Manuskriptseite mit einem direkten Link zum Original, das zeilengetreue Transkript (mit Anmerkungen) zum freien Download unter einer CreativeCommons-Lizenz sowie eine Tonaufnahme der Neufassung, die Du Dir hier anhören kannst. Die Neufassungen mit Bogenstrichen und Harmonisierungsvorschlägen kannst Du nachfolgend als einzelne Seiten erwerben.
Englois Collett 5c (Nr. 7)
xxx Collett 11a (Nr. 12)
Engels Collett 13b (Nr. 14)
Contradans Collett 17 (Nr. 21)
Konkordanzen: Collett 17 (Nr. 21: Contradans); Ringerike 60/61b (Nr. 114: Madame Frises Linie Dans)